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Nachhaltige Ernährung
Wednesday, 11.01.23
6 Min.

Nachhaltige Ernährung – Food for Future?

Nachhaltige Ernährung bezieht sich nicht nur auf unser Essen, sondern berücksichtigt auch all seine gesundheitlichen, ökologischen und sozialen Zusammenhänge. Grund für diese umfassende Betrachtung ist die große Bedeutung von Nahrung und ihrer Erzeugung für unsere Gesundheit und unsere Umwelt. Bereits jetzt zählen Hunger und Überernährung sowie Klimawandel und Ressourcenknappheit zu den dringenden Themen unserer Zeit. Angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung – schätzungsweise 50 Milliarden Menschen bis 2050 – drohen sie sich weiter zu verschärfen.

Nachhaltige Ernährung ist damit nicht nur Thema auf unseren Tellern, sondern auch Bestandteil globaler und nationaler Nachhaltigkeitsstrategien, die von der World Health Organization (WHO), der Food and Agriculture Organization (FAO) oder der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) mitentwickelt werden. Die Prinzipien und Ziele einer nachhaltigen Ernährung sollen helfen, uns und künftigen Generationen ein gesundes Leben auf einem gesunden Planeten zu sichern.

Ernährung beeinflusst Gesundheit, Umwelt und Soziales

Wie kann Ernährung so weitreichend wirken? Das wird deutlich, wenn wir uns die vier Zielbereiche nachhaltiger Ernährung einmal genauer ansehen:   

  • Gesundheit
    Unsere Ernährung hat großen Einfluss auf unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit. Dabei ist sowohl entscheidend, was wir zu uns nehmen als auch, wie viel davon. Wie drastisch die Folgen einer Fehlernährung sind, zeigen die Zahlen der WHO und FAO: Weltweit sind zwei Milliarden Erwachsene und über 40 Millionen Kinder übergewichtig, 670 Millionen Erwachsene und 120 Millionen Kinder sogar stark übergewichtig. Gleichzeitig leiden 820 Millionen Menschen Hunger (WHO/FAO, S. 5/7). Unter- und Überernährung ist zudem eine der häufigsten Ursachen für Krankheiten und Todesfälle (WHO/FAO, S. 8). Eine nachhaltige Ernährung zielt deshalb darauf ab, uns gesund zu halten und unsere Lebenserwartung zu steigern, indem sie uns mit allen notwendigen Nährstoffen versorgt.
     
  • Umwelt und Klima
    Lebensmittel entstehen in komplexen Wertschöpfungssystemen, zu denen Landwirtschaft, Tierhaltung, Transport, Verpackung, Kühlung, Verarbeitung und vieles mehr gehören. Laut WHO und FAO sind Ernährung und ihre Erzeugung derzeit eine Hauptursache für den Verbrauch natürlicher Ressourcen. So tragen sie massiv zur Rodung von Wäldern und zum Artensterben bei und sind für 25-30 % der weltweiten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich (WHO/FAO, S. 8). Tierische Lebensmittel fallen hier besonders ins Gewicht. Aber auch Lebensmittelverschwendung trägt dazu bei: So fallen in Deutschland jährlich etwa zwölf Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle an, deren Entsorgung wiederum Ressourcen kostet. Die Auswirkungen auf Umwelt und Klima sind deshalb ein wichtiger Aspekt nachhaltiger Ernährung.
     
  • Soziales
    Eine nachhaltige Ernährung berücksichtigt auch den „sozialen Fußabdruck“ (DGE, S. 4/157). Hierzu zählen beispielsweise Arbeits- und Lebensbedingungen von Erntehelfer:innen oder der Zugang zu gesunder Ernährung aufgrund finanzieller Möglichkeiten, kultureller Akzeptanz und Wissen. Essen als soziale Teilhabe fällt ebenfalls in diesen Bereich, beispielsweise durch gemeinsame Mahlzeiten. Im Alltag ist dieser Aspekt nicht ganz einfach zu überblicken. Fairtrade-Labels und Herkunft der Lebensmittel geben jedoch Hinweise zu Arbeitsbedingungen in der Herstellung. Ebenso fördert eine Ernährungsbildung in Schulen und Kitas den Zugang und die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen an gesunder Ernährung.
     
  • Tierwohl
    Eine nachhaltige Ernährung hat auch das körperliche und psychische Wohlergehen von Nutztieren im Blick. Hierzu zählen beispielsweise ausreichend Platz, Verzicht auf Amputationen, weniger Arzneimitteleinsatz sowie Zugang zu frischer Luft. Für die Fischhaltung werden Tierwohl-Kriterien derzeit diskutiert. Bei der Lebensmittelwahl im Alltag können uns Labels zur Haltungsform eine Orientierung geben. Besonders entscheidend ist jedoch, den Konsum tierischer Lebensmittel zu reduzieren.

Eine nachhaltige und gesunde Ernährung besteht aus Ernährungsmustern, die

  • alle Aspekte der Gesundheit und des Wohlbefindens einer Person fördern;
  • geringe Auswirkungen auf die Umwelt haben und wenig Umweltbelastung verursachen;
  • verfügbar, bezahlbar, sicher und fair sind und kulturell akzeptiert werden.

Die Ziele einer nachhaltigen und gesunden Ernährung sind es,

  • ein optimales Wachstum und die bestmögliche Entwicklung aller Personen zu erreichen sowie
  • die Funktion und das körperliche, psychische und soziale Wohlbefinden in allen Lebensphasen der gegenwärtigen und künftigen Generationen zu begünstigen;
  • zur Vorbeugung aller Formen der Fehlernährung (d. h. Unterernährung, Mikronährstoffmangel, Übergewicht und Adipositas) beizutragen;
  • das Risiko von ernährungsmitbedingten nichtübertragbaren chronischen Erkrankungen zu verringern sowie
  • die Erhaltung der Biodiversität und die Gesundheit des Planeten zu unterstützen.

Nachhaltige und gesunde Ernährungsformen müssen alle Aspekte der Nachhaltigkeit vereinen, um unbeabsichtigte Konsequenzen zu vermeiden.

FAO (ed.): Sustainable Healthy Diets. Guiding Principles, Rom 2019

Nachhaltige Ernährung
Zurück zum Teller: Wie du dich nachhaltig ernähren kannst

Wenn du dich im Alltag nachhaltiger ernähren möchtest, geben dir die Empfehlungen zu einer vollwertigen Ernährung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sowie die Planetary Health Diet der EAT-Lancet-Kommission eine gute Orientierung. Beide zeigen auf, wie du deine Nahrung am besten gewichtest, um das Beste für dich und den Planeten herauszuholen. Dabei geht es nicht um strikte Tagespläne, sondern um einen Durchschnitt. Vergleicht man beide Ansätze mit den tatsächlichen Nahrungsgewohnheiten in Deutschland, werden die nötigen Stellschrauben schnell deutlich: mehr Gemüse, Obst und Hülsenfrüchte – weniger Fleisch!

Planetary Health Diet

Lebensmittelgruppe Tägl. Menge (g) bei 2.500 kcal
Gemüse 300 (200–600)
Hülsenfrüchte 100 (100-225)
Obst 200 (100–300)
Nüsse 25
Milchprodukte in Milchäquivalenten (g MÄq) 200 (100–300)
Rotes Fleisch 14 (0–28)
Geflügel 29 (0–58)

Vollwertige Ernährung nach DGE

Lebensmittelgruppe Tägl. Menge (g) bei 1.600 -2.400 kcal
Gemüse, Salat, Hülsenfrüchte ≥ 400
Obst inkl. Nüsse  ≥ 250
Milchprodukte in Milchäquivalenten (g MÄq)  596–728
Fleisch, Wurst 43/86

Nationale Verzehrstudie

Lebensmittelgruppe Tatsächliche mittlere tägl. Verzehrmenge (g) bei 1.968 kcal
Gemüse inkl. Hülsenfrüchte 124
Obst inkl. Nüsse  166
Milchprodukte in Milchäquivalenten (g MÄq)  443
Fleisch, Fleischerzeugnisse und Wurstwaren 120

Das steckt hinter der Planetary Health Diet

Angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung und begrenzter Ressourcen bietet die Planetary Health Diet einen beispielhaften Speiseplan, mit dem im Jahr 2050 zehn Milliarden Menschen gesund und vollwertig ernährt werden können – ohne die ökologischen Belastungsgrenzen der Erde überzustrapazieren. Entwickelt wurde die Planetary Health Diet 2019 von der EAT-Lancet-Kommission, einem 37-köpfigen Team von Expert:innen aus Politik, Agrarwissenschaft, Gesundheit, Umweltschutz, Klimaforschung und anderen Bereichen. 

Essen für eine glückliche Zukunft – mehr Gemüse, weniger Fleisch

Mit ihren Zielen ist die Planetary Health Diet eine Form der nachhaltigen Ernährung, die gesund, fair und für alle Menschen verfügbar ist und die Negativauswirkungen auf die Umwelt geringhält. Auf diese Weise soll sie uns vor Hungersnöten, Überernährung ebenso wie vor Klimawandel schützen.

Um das zu erreichen, ist jedoch eine deutliche Änderung unserer Ernährungsgewohnheiten und eine Reduzierung von Lebensmittelverschwendung notwendig. Genau bedeutet das: Wir müssen unseren bisherigen Fleisch- und Zuckerkonsum halbieren und stattdessen etwa doppelt so viel Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte und Nüsse zu uns nehmen.

Gesund und nachhaltig: Der Speiseplan der Planetary Health Diet

Entscheidend sind bei den empfohlenen Lebensmitteln der Planetary Health Diet auch die Nährstoffe: Insgesamt soll die Ernährung neben Gemüse reich an Vollkornprodukten, pflanzlichen Proteinen und ungesättigten pflanzlichen Fetten sein, während stärkehaltige Gemüse, Milchprodukte, tierische Proteine und zugesetzter Zucker nur in Maßen vorkommen. Die Tabelle zeigt, wie dies bei einer Aufnahme von 2.500 kcal am Tag aussieht, mit möglicher Spannbreite in Klammern:

Lebensmittelgruppe Empfohlene Nährstoffmenge pro Tag in Gramm Empfohlene Kalorienzufuhr pro Tag
Vollkorngetreide
Reis, Weizen, Mais u. a.
232 811
Stärkehaltiges Gemüse
Kartoffeln, Maniok
50 (0-100) 39
Gemüse 300 (200-600) 78
Obst

200 (100-300)

126
Milchprodukte
Vollmilch oder enthaltener Anteil in verarbeiteten Produkten

250 (0-500)

153
Proteinquellen    
Rind-, Lamm- oder Schweinefleisch

14 (0-28)

30
Geflügel

29 (0-58)

62
Eier

13 (0-25)

19
Fisch

28 (0-100)

40
Hülsenfrüchte

75 (0-100)

284
Nüsse

50 (0-75)

291
Fette    
Ungesättigte Fette

40 (20-80)

354
Gesättigte Fette

11,8 (0-11,8)

96

Zugesetzter Zucker

 31 (0-31

120

 

Quelle: EAT-Lancet-Kommission

Nachhaltig essen: 10 einfache Tipps

Die Anforderungen einer nachhaltigen Ernährung klingen erst einmal nach vielen Faktoren, die wir beachten sollen. Und auch die Empfehlungen der Planetary Health Diet sehen nach Rechnerei aus. Tatsächlich ist es aber gar nicht so schwer, einen nachhaltigen Speiseplan in den Alltag zu intergieren. Beachte dazu einfach folgende Tipps:

1. Hol dir mehr Obst und Gemüse ins Haus

Kunterbunt gesund lautet das Motto: Obst und Gemüse ist immer verfügbar, gesundheitsfördernd und viele Sorten hinterlassen keinen allzu großen ökologischen Fußabdruck. Du hast einen Keller? Top! Lagere Äpfel im Herbst kühl ein und du hast noch lange etwas davon! Es gibt aber auch Ausnahmen wie Tomaten aus Gewächshäusern, empfindliches Obst, das gekühlt werden muss oder exotische Köstlichkeiten aus weiter Ferne. Diese sollten wir uns nur ab und zu gönnen oder ganz weglassen. Denn da kommen wir schon zum nächsten Punkt.

2. ... und es darf ruhig krumm und schief sein

Schluss mit der (Alters-)Diskriminierung! Gib faltigen Äpfeln oder krummen Karotten eine Chance – sie sind schließlich nicht automatisch faul. Da die vitaminreichen Köstlichkeiten ohnehin meistens kleingeschnippelt werden, ist es doch wirklich egal, wie sie aussehen, oder? Indem du beim Einkaufen auch unschöne Produkte auswählst, verhinderst du, dass sie weggeworfen werden. Das spart Ressourcen!

3. Regional-saisonal statt international

Während die Papaya aus tropischen Anbaugebieten einen weiten, ressourcenintensiven Frachtweg hat, wandern unsere heimischen Früchte bestenfalls lediglich vom benachbarten Bauern in unseren Einkaufskorb. Regionales Gemüse und Obst schont die Umweltbilanz! Beachte auch die Saison: Wer im November Erdbeeren essen möchte, nimmt ebenfalls weite Transportwege in Kauf. Außerdem: Saisonale Produkte aus der Region haben den höchsten Vitamingehalt!

4. Go veggie! Der Trend kommt nicht von ungefähr

Eine pflanzliche Ernährung trägt ebenfalls zur Nachhaltigkeit bei, denn bei der Fleischproduktion, insbesondere der von Rindfleisch, werden meist wesentlich mehr Treibhausgase ausgestoßen als bei der von pflanzlichen Proteinen, beispielsweise in Hülsenfrüchten. Und auch der Körper freut sich, wenn du es mal mit der Linsenbolognese oder Würstchen aus Erbsenprotein versuchst: Pflanzliche Lebensmittel enthalten mehr Ballaststoffe und weniger Fett – und bei diesen vegetarischen und veganen Rezepten mit fällt dir der Unterschied vielleicht gar nicht mal so sehr auf! Wer nicht auf Fleisch verzichten aber etwas tun möchte, reduziert den Konsum auf ein- bis zweimal die Woche.

5. Augen auf bei Fisch & Meeresfrüchten

Als guter Lieferant für gesundheitsfördernde Omega-3-Fettsäuren landet Fisch auf vielen deutschen Tellern. Dennoch sind sich auch viele von uns der weltweiten Überfischung bewusst. Was also tun, wenn wir trotzdem von den wertvollen Nährstoffen profitieren möchten? Auch Fisch und Meeresfrüchte nur ein bis zweimal die Woche essen und stets auf Nachhaltigkeitssiegel von zertifizierten Organisationen achten.

6. Schluss mit Überfluss

Viel zu große Einkäufe, verwaiste Joghurtbecher und Käsereste im Kühlschrank, auf jedem Tisch Snacks für zwischendurch. Wenn dir das bekannt vorkommt und du der Umwelt etwas Gutes tun möchtest, schnapp dir Zettel und Stift. Wer seine Einkäufe sowie Speisepläne gut plant und nicht hungrig in den Supermarkt geht, kauft in der Regel in passenderen Mengen ein. So wirfst du am Ende weniger weg – und ernährst dich ausgewogener. 

7. Volle Kraft für Vollkorn

Für Vollkorngetreide sind weniger Verarbeitungsschritte notwendig. Dadurch ist es meist weniger ressourcenintensiv in der Herstellung als raffiniertes Getreide – und dazu gesünder. Vollkornbrot, Vollkornnudeln, Quinoa und Buchweizen sind eine gute Wahl. Auch Vollkornreis anstatt weißem Reis ist gut geeignet, sollte aber in Maßen genossen werden, seine Herstellung einen hohen Wasserverbrauch hat.

8. Die Milch macht’s – in Maßen

Auch wenn Milch- und Milchprodukte wichtige Nährstoffquellen sind, beispielsweise für Eiweiß und Kalzium, müssen wir uns bewusst machen: Die Auswirkungen ihrer Produktion auf die Umwelt sind enorm. Genieße Milchprodukte daher in Maßen oder ersetze sie gegebenenfalls durch Pflanzendrinks, die mit Vitaminen und Mineralstoffen angereichert sind.

9. Die Zukunft ist unverpackt

Immer mehr Städte und Supermärkte setzen auf lose Ware ohne Plastikverpackung und die Möglichkeit, diese in wiederverwendbare Transportboxen abzufüllen. Gut so, denn jede eingesparte Verpackung belastet die Umwelt zweimal weniger – sie muss weder produziert noch entsorgt werden. Außerdem signalisieren Sie mit dem Kauf dieser Ware Ihr Umweltbewusstsein auch an die Hersteller der Produkte. 

10. Leitungswasser trinken

Die Standards für die Qualität von Leitungswasser sind in Deutschland sehr hoch, sodass wir es problemlos trinken können. So sparst du nicht nur eine Menge Geld, sondern vermeidest auch, dass Flaschen produziert und transportiert werden müssen. 

Katrin Stücher
Autor:in
Dr. Katrin Stücher
Ernährungs- und Sportwissenschaftlerin

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